Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?
(Jeremia 23,23)
Liebe Leser,
stimmt das denn? Ist Gott nicht immer nahe bei uns und immer da? Ist er nicht immer ansprechbar für uns … wenn wir ihn brauchen?
Aber wie oft brauchen wir ihn eigentlich und wie oft meinen wir, auch ohne ihn klar zu kommen?
Ist Gott so etwas, wie eine Versicherung?: Es ist wichtig, dass ich sie habe, aber wenn ich sie nicht in Anspruch nehmen muss, ist das auch ganz gut.
Jeremia sagt diese Worte zu Menschen, die Gott wie eine Versicherung gesehen haben.
Ihre Vorstellung: Es ist gut, dass Gott da und für uns ansprechbar ist, wenn wir Trost, Hilfe oder Halt brauchen. In der Not haben wir einen Helfer.
Aber ohne Not kommen wir auch ohne Gott ganz gut klar.
Die größte Notlage ist für jeden Menschen einmal, wenn das Leben zu Ende geht. Dann ist es doch gut, dass es einen Gott gibt, zu dem ich dann in den Himmel gehen kann.
Jeremia sagt: Nein, Gott kann auch fern sein.
Es kann sein, dass wir ihn als fern empfinden, wenn Dinge passieren, wo wir nicht verstehen, wie Gott sie zulassen kann. In solchen Situationen ist er nicht wirklich fern.
Aber wir empfinden ihn als fern, weil wir ihn nicht verstehen. Er ist uns nahe im Leid, denn sein Sohn Jesus Christus hat selbst großes Leid und viel Ungerechtigkeit getragen.
Er ist uns nahe, wenn wir leiden, oder wenn wir Leid bei anderen erleben, weil er es selbst kennt und weiß, wie das ist. Aber wir sollen uns an ihn wenden.
Manchmal verführt uns die Enttäuschung oder Verbitterung über das Leid dazu, dass wir uns von ihm abwenden. Wir verstehen das Leid nicht und bringen es nicht mit dem guten Gott zusammen. „Wenn es Gott gibt, dann hätte er das nicht zugelassen …“ Doch Gott gibt es und er ist uns nahe, gerade in solchen Situationen. Wenn wir uns an ihn wenden, dann finden wir bei ihm Hilfe, manchmal auch eine Antwort auf das Leid. Jeremia redet aber von einer Situation, in der Gott uns tatsächlich fern ist. Gott ist nicht nur Nothelfer in schweren Zeiten.
Gott hat Anspruch auf unser ganzes Leben. Er will uns. Jesus Christus will mit uns auf dem Weg durchs Leben gehen. Und das heißt, dass er mit allen Situationen meines Lebens zu tun haben will. Ich vergleiche das mit einer Wohnung: Einen netten Gast führe ich nur ins aufgeräumte und gereinigte Wohnzimmer.
Die Haushaltshilfe geht in jedes Zimmer. Sie interessiert sich vor allem für die dreckigen und unaufgeräumten Räume. Dort findet sie ihre Aufgabe. Wenn ich so eine Haushaltshilfe schon habe, werde ich sie gerade nicht von diesen Zimmern fernhalten.
Wenn wir den Eindruck haben, Gott ist uns fern: Dann könnte es sein, dass in unserem Leben Räume sind, wo er nicht hindarf, Bereiche, in die er nicht hineinreden oder ‐sehen soll. Dann müssen wir gerade dort ihm die Türen öffnen, ihm bekennen, wo wir schuldig geworden sind gegen ihn oder Mitmenschen, oder wo wir im Herzen unversöhnt sind. Er wird aufräumen und reinemachen. Und wir werden seine Nähe neu erleben.
Es grüßt Sie herzlich Ihr
Pfr. Eckehard Graubner