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Gedanken zum Sonntag Quasimodogeniti

Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft,   dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler.

Jesaja 40,31

 

Gedanken zum ersten Sonntag in der österlichen Freudenzeit (Quasimodogeniti, 19.4.2020)

Das Osterfest liegt hinter uns. Ein Fest, wie wir es so noch nicht erlebt haben, ganz anders, ganz ungewohnt. Einige haben sich aufgemacht und sind in unsere Kirchen gekommen, um das Osterlicht abzuholen. Mancher hat sich dabei in die Bank gesetzt, ein Gebet gesprochen oder einfach nur einen Moment der Stille gehalten. Vielen tat es richtig gut, wieder einmal die besondere Atmosphäre, die Nähe Gottes, die Heiligkeit in diesen Mauern zu spüren. Eine kleine Stärkung und Ermutigung, die wir gerade in diesen Tagen so brauchen, ein Hoffnungsschimmer. In Hammerbrücke waren vor der Kirche Osterlieder zu hören, gespielt von zwei Bläsern aus Erlbach. Die Orgel erklang in Tannenbergsthal.

Ja, wir vermissen die Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen. Wir sehnen uns danach, endlich wieder gemeinsam zu singen, zu beten und die heilige Eucharistie zu feiern, endlich wieder mit den Schwestern und Brüdern Gemeinschaft zu haben. Doch darauf werden wir leider wohl noch etwas warten müssen. Die derzeit geltenden Kontaktbeschränkungen und auch das Versammlungsverbot werden vorerst bis zum 3. Mai aufrechterhalten.

Zwar sind ab Montag wieder Gottesdienste erlaubt, allerdings mit einer maximalen Anzahl von 15 Personen. Wie das im Einzelnen geregelt werden soll, dazu warten wir auf die Hinweise des Landeskirchenamtes. Wir werden über die aktuellen Entwicklungen zeitnah informieren.

Bis dahin bleibt es dabei, dass in unseren Kirchen vorerst keine Gottesdienste stattfinden. Da außerdem bis Ende August große Veranstaltungen nicht stattfinden dürfen, wird in diesem Jahr die Jubelkonfirmation, die Waldgottesdienste und auch die Seniorenrüstzeit ausfallen müssen.

Das ist sehr schade. Und darüber sind wir auch sehr traurig. Aber wir wollen uns an die gesetzlichen Vorgaben halten, weil wir als Christen füreinander Verantwortung tragen, weil bei uns die Nächstenliebe wichtig ist. Deshalb schränken wir uns ein. Deshalb verzichten wir bis auf weiteres auf große Gottesdienste, Veranstaltungen, Gemeindekreise und auch auf Geburtstagsbesuche. Und so wird es vorerst auch weiterhin für die Sonntage eine geschriebene Andacht geben. In dieser Woche kommt sie mal nicht von Pfarrer Goll, sondern von Diakon Hendrik Prüfer.

„Ich heb ab, nichts hält mich am Boden“, so erschallte es vor einigen Jahren aus dem Radio. Einige Jahre zuvor war es „Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit haben beide Lieder etwas gemeinsam: sie besingen die Sehnsucht nach Ferne und Weitblick und das Zurücklassen unserer irdischen Sorgen und Probleme. Wäre das nicht schön? Der Traum vom Abheben und Fliegen ist so alt wie die Menschheit selbst, und wurde erst im letzten Jahrhundert Realität. Viele Millionen Menschen heben jährlich zu Arbeits- oder Urlaubszwecken ab und lassen unter sich große Bauwerke zu „Spielzeughäusern“ werden. Inzwischen können Astronauten unsere Erde als „kleinen“ zerbrechlichen  Planeten aus der Ferne des Weltalls beobachten.

Im krassen Kontrast erleben wir da unsere jetzige Situation. Die meisten Flugzeuge müssen am Boden bleiben, selbst Spaziergänge bleiben auf das eigene Umfeld oder das unbedingt Notwendige beschränkt. Zwangsweise sind wir auf uns und unsere eigenen vier Wände begrenzt. Und schon nach kurzer Zeit macht sich der Ruf und die Sehnsucht nach dem Ende dieses Zustandes breit. Wir sehnen uns nach Weite, nach Gemeinschaft, nach direktem Austausch, nach Unternehmungen – nach Freiheit.

Wie oft ist die Sehnsucht gerade nach den Dingen besonders groß, die gerade nicht möglich sind. Einer der größten Wünsche zur Wendezeit war, einfach raus zu können, die weite Welt bereisen. Nach 30 Jahren alles normal und selbstverständlich geworden. Ja, viele dachten nun alles in der Hand zu haben, und werden jetzt eines Besseren belehrt. Auch wirtschaftliche Kraft, wissenschaftlicher und medizinischer Fortschritt sind begrenzt!

Ich würde mir wünschen, dass wir künftig mehr schätzen, was wir haben und dankbar die Selbstverständlichkeiten unseres Lebens annehmen: die Schönheit der Schöpfung, unser Miteinander, unsere Möglichkeiten der Bildung und gemeinschaftliche Veranstaltungen – auch in unseren Kirchen. Doch das ist jetzt noch Zukunft. Was hilft uns jetzt in unserer Situation? Unser heutiger Predigttext aus Jesaja 40, 26-31 kann uns dabei helfen:

„Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber«? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden. Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.“

Auch hier werden wir eingeladen, abzuheben – wie ein Adler. Und das hat seinen Grund. Oft sehen wir nur, was unmittelbar vor uns liegt. Gerade jetzt, angesichts von immer weiter steigenden Zahlen von Infizierten und Toten bei uns in Deutschland und erst recht weltweit, aber auch anderen Sorgen und Problemen lassen Einen fast verzweifeln und eher den Mut verlieren. Not und Elend der Kriegsschauplätze geraten momentan fast in Vergessenheit, schon lange fragt kaum noch Jemand nach dem Hunger in der Welt.

Und dann sind da auch noch ganz individuelle Schicksale des Einzelnen: gefährdeter Schulabschluss, Krankheit, Verlust eines lieben Menschen, Streit in der Familie und vieles mehr. Nicht selten bleibt man dann nicht nur äußerlich in seiner kleinen Welt voller Probleme gefangen, ohne einen Ausweg zu sehen.

Und Gott?

Schläft er und überlässt uns unserer Situation? So lautet die Anfrage Israels, die damals als Gefangene in Babylonien leben mussten – ohne Aussicht jemals wieder gemeinsam einen Gottesdienst im Tempel feiern zu können. Vielleicht fragen auch wir manchmal so. Wie gut würde es da tun, einmal abzuheben und weiter schauen zu können – wir kennen das vielleicht auch von einem Aussichtsturm oder hohen Berg. Der kleine begrenzte Horizont könnte erweitert und ein Licht oder gar das Ziel schon erkannt werden. Auch der Sinn so manchen beschwerlichen Weges könnte sich leichter erschließen. Man bekäme neue Motivation zum Weitergehen, neue Kraft zur Bewältigung der vor einem liegenden Probleme und Aufgaben.

Und genau diese Horizonterweiterung bietet uns heute unser Text. Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Lasst euren Blick nicht von Schwierigkeiten in den Bann nehmen, sondern schaut nach oben: auf Gott. Nein, Gott schläft nicht, er ist nicht einmal müde, im Gegenteil. Er begleitet einen jeden von  uns und verspricht Kraft und Stärkung – gerade jetzt in deiner Situation. Gott ist doch der Schöpfer aller Dinge. Er ist es, der wirklich alles in der Hand hält. Wir haben vor einer Woche Ostern gefeiert. Die Jünger und Freunde Jesu haben genau das erfahren. Sie hatten all ihre Hoffnung auf Jesus gesetzt, der Triumph schien beim Einzug in Jerusalem schon greifbar nahe. Und dann der Shutdown! Alles zu Ende, alles vorbei, alle Hoffnung zerstört, tot – grausam am Kreuz. Und es kam die bohrende Frage: Wie soll es denn weitergehen? Sie wussten es nicht. Manche gingen mutlos weg, andere schlossen sich in die eigenen vier Wände ein, sie vernagelten sogar Fenster und Türen. Es war ausweglos. Und zugleich kam die Angst, dasselbe Schicksal wie Jesus zu erleiden.

Genau in diese Situation kommt Jesus zu ihnen. Er ist plötzlich mitten in ihrem Raum. Keine Mauer, weder aus Beton, noch in ihren und unseren Köpfen, kann ihn aufhalten. Gott hat in Jesus den Horizont unseres menschlichen Denkens und unserer Möglichkeiten durchbrochen. Selbst die Grenze des Lebens, der Tod, war für ihn kein Hindernis. Er ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden! Das Ende wird zum Anfang, neues Leben bricht sich Bahn. Quasimodogeniti = „wie neu geboren“ heißt nicht umsonst der heutige Sonntag.

Friede sei mit euch! So grüßt Jesus seine Jünger. Ja, er ist es wirklich. Sie haben den Auferstandenen gesehen. Und das bewirkt in ihnen eine neue Kehrtwende. Sie sind wie neu geboren. Sie werden mit neuer Kraft hinausgehen – bis an das Ende der Welt. Und sie werden allen Menschen die Frohe Botschaft von Jesus Christus, dem Auferstandenen weitersagen. Und so erreicht sie heute auch uns. Und wir sind eingeladen, daran zu glauben und aus diesem Glauben neue Kraft und neuen Mut für unseren Alltag, für unsere derzeitige Situation zu schöpfen. Mit dem Ausblick, dass er für jeden von uns ein gutes Ziel hat und selbst schwere Streckenabschnitte „von oben betrachtet“ nur eine kurze Momentaufnahme sind wie es Paulus sagt, dürfen wir in österlicher Freude unseren Weg weitergehen in der Gewissheit, dass Gott nicht müde, sondern hellwach an unserer Seite ist und uns trägt, hier und jetzt und bis in alle Ewigkeit. 

Diese Erfahrung, dazu Gottes Segen und Bewahrung in der neuen Woche wünscht Euch und Ihnen

Diakon Hendrik Prüfer

Herzliche Grüße, bleiben Sie alle behütet, gesund und gesegnet

 

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